Gebäude 1 der HS Kehl

Hochschule Kehl steht für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie

Interview mit Rektor Prof. Dr. Joachim Beck zum Thema „Rechtsextreme Tendenzen in Deutschland“

 

Hochschulmagazin Klartext: Herr Beck, viele Menschen in Deutschland demonstrieren aktuell gegen Rechtsextremismus seit dem Bekanntwerden eines Geheimtreffens rechter Netzwerker, in dem offensichtlich unter dem Stichwort „Remigration“ beraten wurde, wie man Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus dem Land bringen kann. Müssen wir uns um unsere Demokratie sorgen?

Rektor Beck: Was da an die Öffentlichkeit gelangte, ist in der Tat schockierend. Und dass nun weite Teile unserer demokratischen Gesellschaft – über alle Generationen hinweg – aufstehen und gegen Rechtsextremismus und Menschenverachtung ein Symbol setzen wollen, verstehe ich gut. Das Engagement der Zivilgesellschaft ist für das Funktionieren einer Demokratie zentral und die Meinungsfreiheit sowie die Möglichkeit ihrer Verteidigung sind ein hohes Gut. Es gibt in der Tat rote Linien. Der sächsische Verfassungsschutz hat z. B. den dortigen Landesverband der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Nach Thüringen und Sachsen-Anhalt ist es der dritte AfD-Landesverband mit einer solchen Bewertung. Und auch bei uns in Baden-Württemberg wird die Partei samt ihrer Jugendorganisation als Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet. Letztlich kann und muss man rechtsextremistischen Tendenzen gesamtgesellschaftlich begegnen. Aber dazu gehört eben auch die klare Artikulation einer demokratischen Haltung und das sich Vergewissern der Werte unserer Verfassung und Gesellschaft.

Hochschulmagazin Klartext: Für welche Werte steht die Hochschule Kehl?

Rektor Beck: Genau für diese demokratischen Grundwerte unserer Verfassung! Das ist ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber vielleicht muss man das in diesen Zeiten auch nochmal besonders in Erinnerung rufen: Unsere Hochschule steht für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Und das beginnt mit der Würde des Menschen, die in Art. 1 des Grundgesetzes verankert ist. Hinzu kommen Werte der Toleranz und Weltoffenheit, der Mitmenschlichkeit sowie die ganz besonderen Anforderungen und Pflichten, die sich z. B. aus dem Beamtenrecht auch und gerade für unsere Studierenden ergeben. Die besondere Vorbildfunktion von Beamtinnen und Beamten bezieht sich neben der Beachtung der Verfassungsprinzipien ja auch auf das Verhalten im Privatleben – bis hin zum Agieren in sozialen Netzwerken. Beamtinnen und Beamte (und Beschäftigte im öffentlichen Dienst) müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten, im Dienst wie außerhalb, zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen und für deren Einhaltung eintreten. Dass wir als Hochschule in unmittelbarer Nachbarschaft zu Strasbourg natürlich für ein offenes und starkes Europa, für Einheit und Vielfalt stehen, und die Forderung eines DEXIT nicht unterstützen, versteht sich ebenfalls von selbst.

Zugleich gelten an einer staatlichen Hochschule für den öffentlichen Dienst sowohl für die Hochschulleitung, die haupt- und die nebenamtlichen Dozierenden sowie unsere verbeamteten Studierenden die Bindungen an das staatliche Neutralitätsgebot. Insofern muss auch das staatliche Neutralitätsgebot gegenüber Parteien grundsätzlich von Hochschulen und ihren Untergliederungen beachtet werden. Zugleich garantiert Art. 5 Abs. 3 Satz 1 die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre, was auch eine kritische Auseinandersetzung mit einzelnen Parteien auf wissenschaftlicher Basis umfassen kann. Die Hochschulleitungen sind aber immer an die parteipolitische Neutralität im Sinne des Art. 21. Abs. 1 GG gebunden. Zu dieser kommt auf der Ebene verbeamteter Hochschullehrender das sog. Mäßigungsgebot als weitere Einschränkung hinzu.

Hochschulmagazin Klartext: Was kann man jetzt tun, was tun Sie als Hochschulleitung?

Rektor Beck: Als Hochschule stehen wir ein für die Werte unserer Verfassung und die freiheitlichdemokratische Grundordnung und positionieren uns klar gegen jede Form von Rassismus und Antisemitismus. Man kann und man sollte auch als Privatperson ein aktives Zeichen setzen. Auch Beamtinnen und Beamte können selbstverständlich an Demonstrationen teilnehmen, zumal wenn diese den Zweck haben, als Zivilgesellschaft die Grundwerte unserer Demokratie und unseres Verfassungsstaates zu verteidigen.

Es gibt ein bundesweites Netzwerk junger Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister, in dem sich auch Absolventinnen und Absolventen unserer Hochschule engagieren, und das eine Resolution verabschiedet hat. Man kann auf sozialen Netzwerken auch aktiv Gegenpositionen einnehmen, vor allem dann, wenn gezielt verbreitete entwürdigende Kritik z. B. an Politikerinnen und Politikern und Mitmenschen die Menschenwürde verletzt. Man kann als gebildeter Mensch Fakten, Fakten, Fakten in den politischen Diskurs einbringen. Und man sollte das auch. Und man kann sich engagieren, in Vereinen, in der Kommunalpolitik, im Ehrenamt.

Orientierung kann auch die ARD-Dokumentation zu „AfD-Aussteigern“ geben:

https://www.ardmediathek.de/video/dokumentation-und-reportage/wir-waren-in-der-afd/das-erste/Y3JpZDovL21kci5kZS9zZW5kdW5nLzI4MTA2MC8yMDI0MDExODIyNTAvcmVwb3J0YWdlLWRva3UtaW0tZXJzdGVuLTM1Ng

Hier wird sehr glaubhaft, differenziert und eindrücklich gezeigt, in welche Richtung sich diese Partei entwickelt hat, und wie seit der Gründung offensichtlich immer stärker rechtsextreme und völkische Teile an Gewicht gewonnen haben.

In einer live übertragenen aktuellen Debatte haben sich die etablierten demokratischen Parteien im Landtag Baden-Württemberg am 24. Januar 2024 klar von Hetze, Rassismus und Rechtsextremismus und damit von der Programmatik und der Sprache bestimmter Akteurinnen und Akteure aus dem rechtsextremistischen Spektrum abgegrenzt. Dem schließe ich mich ausdrücklich an!

Wir als Hochschulleitung werden sehr genau darauf achten, dass diese Hochschule weiterhin ein Raum des offenen Diskurses bleibt, der von den uns konstituierenden Verfassungsprinzipien getragen ist. Und wir werden in Forschung, Lehre und Weiterbildung mehr denn je daran arbeiten, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter moderner Verwaltungen nicht nur kompetent und engagiert, sondern auch weltoffen, reflektiert, humanistisch und den Werten unserer Demokratie verpflichtet denken und handeln. Das ist unser Beitrag, um das Rückgrat des demokratischen Rechtsstaats und seiner offenen Gesellschaft zu stärken.

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